PM 33 | 2023 | Alberto Giacometti – aus der Sammlung Klewan Mensch und Raum - Ankündigung der Sonderausstellung

Alberto Giacometti in seinem Atelier, 1957, Foto Robert Doisneau, Sammlung Klewan©Succession Alberto Giacometti, VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Alberto Giacometti – aus der Sammlung Klewan
Mensch und Raum
(08.07. bis 08.10.2023)

Alberto Giacometti(1901-1966) gilt als einer der bedeutendsten Künstler der klassischen Moderne. Aus dem Schweizer Bergell stammend, unterhielt er ab den 1920er Jahren in Paris sein legendäres Atelier am Montparnasse.

Das Museum Penzberg zeigt zum ersten Mal im Münchner Umland rund 100 Exponate aus Giacomettis Oeuvre. Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken aus drei Jahrzehnten veranschaulichen sein Schaffen, das weltweite Beachtung erfährt und in international renommierten Museen zuhause ist. 

Giacomettis überlängte Figuren und Portraits, die stets die Zeichen seines Arbeitsprozesses offenlegen, zeigen eindrucksvoll das Ringen des Künstlers um die Darstellung des menschlichen Seins.  Die vielen übereinandergesetzten Striche sowie ersichtliche Spuren seiner Hände in der Tonmasse zeugen von einer besonderen Arbeitsweise: Eine Wahrheitssuche, die von Entbehrung und Zweifel begleitet war und in den bewegten Jahren des 20. Jahrhunderts zum Spiegelbild und Kommentar einer Gesellschaft wurde.

Der Mythos um Giacometti und sein Atelier am Montparnasse als magischer Ort der Schöpfung ist vielfach belegt. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass sich die intellektuelle Bohème der Pariser Gesellschaft wie Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Samuel Beckett, Jean Genet, berühmte Verleger und Händler wie Tériade und Kahnweiler um ihn scharten und an diesem spartanischen Ort ein- und ausgingen. Viele von ihnen standen ihm in langen Sitzungen als Modell zur Verfügung - auch der Künstlerkollege Matisse. Die Darstellungen sind in der Ausstellung zu sehen - ebenso wie die Arbeiten berühmter Fotografen, die ihrerseits Giacometti porträtierten, wie Robert Doisneau und Henri Cartier-Bresson.

Giacomettis Figuren changieren stets zwischen Abstraktion und Figuration und erleben eine Verdichtung und Verkleinerung, die er seismographisch für die Epoche in den Jahrzehnten um den Zweiten Weltkrieg fast ins Unsichtbare führt.

Die sieben Gemälde Giacomettis in der Penzberger Ausstellung zeigen die Bandbreite vom klassischen Porträt („Portrait de Patricia Matisse“, 1947) zur scheinbar gänzlich aufgelösten Figur, die mit dem Bildraum verschmilzt.

Anhand der Exponate wird ersichtlich, wie Giacometti sein Kernthema ausbreitet und gleichsam mit dem Verschwinden des Menschen kämpft. Auch in den Bronzeskulpturen reduziert er die Figur auf ein Minimum an Erkennbarkeit, wie der kleine Kopf auf großem Sockel „Tête de Simone de Beauvoir“ (um 1946) zeigt, um sich dann zunehmend in einer Bronze wie „La Cage“ (1950) zu vergrößern. Ihre Gliedmaßen verlängert Giacometti dabei ins Übernatürliche, womit seine Figuren ihre Berühmtheit erlangt hatten. Gleichzeitig arbeitet der Künstler in den Werken auf Papier an den Kontrasten von Groß und Klein sowie stehender und gehender Bewegung. Seine Figuren platziert er im scheinbar leeren Raum oder auf übergroßen Sockeln, manchmal bildet er sie im Umfeld seines kargen Ateliers ab. Dieser wird auch zum Lebensmittelpunkt seiner ihn unterstützenden Familie. Annette, die Frau an seiner Seite, als auch sein Bruder Diego Giacometti agieren darin wiederkehrend als „Stehender Akt“ mit angelegten Armen oder „in sich Ruhender“ in zahlreichen Blättern und Skulpturen des Oeuvres. Giacomettis Verbundenheit mit der Materie ist unmittelbar mit der Herkunft aus dem schweizerischen Bergell zu begründen, auch diesen ursprünglichen Ort am Malojapass hält er vielfach fest. Im Gegensatz dazu sind Giacometti und das ausschweifende Künstlerdasein in Paris untrennbar verbunden. So widmet er der berühmten Brasserie Lipp, den Cafés und Gassen von Montparnasse Zeichnungen und Lithografien, die in der Ausstellung präsentiert werden.

Die Ausstellung gliedert sich auf drei Stockwerke in Kapitel, die Giacomettis Auseinandersetzung zum Thema „Mensch und Raum“ aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Biografische Details werden mittels Porträts seiner Mutter, seines Bruders Diego oder seiner Frau Annette vorgestellt. Der private Raum, die familiäre Situation und seine Naturverbundenheit sind ebenso präsent wie die Darstellungen seines Pariser Ateliers. Die ausgewählten Porträts stellen das Pariser Umfeld vor. Der Stehende Akt, die Darstellung der Schreitenden, aber auch der in vielfältigen Posen stillgestellte Mensch wird anhand einer Auswahl aus dem Album „Paris sans fin“ gezeigt, worin sich schließlich die Darstellung von Figuren ohne Raum, ohne scheinbare Sicherheit und Halt vermittelnde Lineaturen oder Umräume finden.

Das Werk Giacomettis hat seine Faszination über Jahrzehnte in nichts eingebüßt. Der Künstler erschuf nicht nur Sinnbilder des Hingeworfenseins des Menschen, sondern erforschte in unermüdlicher Hingabe die Stellung des Menschen in der Welt. Giacomettis Umgang mit der Wahrheit, der Suche nach dem Wesen des Menschen, das Scheitern, die Verletzlichkeit, der Umgang mit dem Raum, mit dem Verschwinden – der Künstler stellte die philosophische Fragen nach dem Bezug des Menschen zur Welt: Was macht den Menschen aus? Wie geht er um mit seinem Gegenüber und den ihn umgebenden Raum? In dieser Hinsicht vermag Giacometti selbst mehr als sieben Jahrzehnte später abermals auf die Anliegen einer neuen Generation treffen, die sich in Zeiten eingreifender Umbrüche mit diesen Fragen auseinandersetzt.

Die Leihgaben stammen aus der in München ansässigen Sammlung von Helmut Klewan, dessen Giacometti-Bestand zu einem der umfangreichsten Konvolute im deutschsprachigen Privatbesitz zählt. Als leidenschaftlicher Sammler vermag der gebürtige Wiener und ehemalige Galerist den Mythos um Giacometti mit vielen Geschichten zum Leben zu erwecken. Seine Sammeltätigkeit dreht sich um das Bild des Menschen in der Kunst und gegen die in der jeweiligen Epoche gültigen Sehgewohnheiten. Er begann seine Sammlung in den 1970er Jahren und ergänzt sie bis heute durch wichtige Neuerwerbungen.

Annette Vogel, seit September letzten Jahres Leiterin des Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, hegt seit langem den Wunsch, eine Giacometti-Ausstellung mit Leihgaben aus der Sammlung Helmut Klewan zu realisieren. Die ersten Berührungen mit Giacometti hatte sie vor über 30 Jahren in New York – nun hat sie in Penzberg die Gelegenheit ergriffen, diesen Wunsch zu realisieren und ihre Leidenschaft für diesen Ausnahmekünstler mit Penzberg zu teilen: „Jede Generation findet in der direkten Auseinandersetzung mit den Werken Giacomettis etwas zugleich Zeitloses und Zeitgemäßes: die Präsenz seiner Werke führt das Sein und das Vergehen, die Verletzlichkeit des Menschen auf beeindruckende Weise vor Augen.“  

Vernissage mit Tanzfest am Abend des 07.07.2023

Der Sammler Helmut Klewan wird zur Eröffnung der Ausstellung anwesend sein. Seine Sammlung umfasst neben der Kunst 6000 Singles mit Hits aus allen Jahrzehnten. Deswegen gibt es unmittelbar nach der Ausstellungseröffnung ein Tanzfest! Passend zum Anlass wird DJ Klewan eine Playlist zusammenstellen und dann ... „rock around the clock...“.

Zur Ausstellung

Die Ausstellung umfasst rund 100 Arbeiten von Alberto Giacometti (1901-1966) aus seiner Schaffenszeit ab den 1940er Jahren, darunter sieben Gemälde und sechs Skulpturen. Die Schau wird ergänzt durch Porträtaufnahmen des legendären Künstlers von berühmten Fotografen wie Robert Doisenau, Franz Hubmann oder Henri Cartier-Bresson.

Rahmenprogramm

Das Rahmenprogramm zur Ausstellung beschäftigt sich mit dem Thema „Mensch und Raum“ und wird Philosophen und Literaten dieser Zeit wie Simone de Beauvoir (1908-1986), Jean-Paul Sartre (1905-1980) und Jean Genet (1910-1986) vorstellen sowie Lesungen aus Giacomettis Aufzeichnungen und die des Biografen James Lord enthalten. Giacomettis Leben soll im Film „Final Portrait“ (2017) mit Geoffrey Rush in der Rolle des Alberto gezeigt werden. Begleitend sind zahlreiche Führungen und Workshops zur Giacometti geplant.

Das Museum Penzberg – Sammlung Campendonk

Neben Sonderausstellungen wird Heinrich Campendonk (1889–1957) stets in Penzberg präsent sein: Das Museum verfügt weltweit über die größte Sammlung des Jüngsten im Umfeld des Blauen Reiters. Mit 21 Jahren kam Campendonk 1911 auf Einladung von Franz Marc und Wassily Kandinsky aus dem Rheinland nach Oberbayern. Auf der Suche nach eigenen Motiven beeindruckte ihn die Bergwerksstadt Penzberg mit ihren besonderen Koloniehäusern und Bergwerksanlagen. Werke aus allen Schaffensphasen und in vielen Arbeitstechniken stehen dem Museum zur Verfügung. Permanent sind Ölgemälde und Hinterglasbilder ausgestellt.

Daneben spielt die Stadtgeschichte immereine Rolle im denkmalgeschützten Altbau des Museums und seinem innovativen Zwillingsbau aus dem Jahr 2016 – nicht zuletzt mit der original möblierten Bergarbeiterwohnung von 1920 sowie dem Gedenk- und Informationsraum zur »Penzberger Mordnacht« vom 28.04.1945.

Wir danken unseren Dauerleihgebern und den dauerhaften Unterstützern der Firma Roche Diagnostics und dem Freundeskreis Heinrich Campendonk e.V.

Info und Öffnungszeiten:
Museum Penzberg — Sammlung Campendonk
Am Museum 1, 82377 Penzberg
Tel.: 08856/813-480
E-Mail: museum@penzberg.de
www.museum-penzberg.de

Öffnungszeiten: Dienstag - Sonntag 10 – 17 Uhr

Öffentliche Führungen: So 11 Uhr

Kontakt für weitere Informationen:
Annette Vogel (Museumsleitung)
Tel. 08856/813-520
annette.vogel@penzberg.de

Veronika Kollek (wissenschaftl. Mitarbeiterin)
Tel. 08856/813-521
veronika.kollek@penzberg.de

Tanja Schmidt / Maria Hübschmann (Teamassistentin)
Tel. 08856/813-523
tanja.schmidt@penzberg.de   
maria.huebschmann@penzberg.de

Die Stadt Penzberg ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Sie wird vertreten durch den Ersten Bürgermeister Stefan Korpan.

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